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Yoga - eine Lebensphilosophie

Yoga boomt seit vielen Jahren. Immer mehr Menschen suchen nach Yogakursen. Die Motivation reicht dabei von „medizinischer Empfehlung wegen körperlichen Problemen“ bis „diese Akrobatik muss doch für mich auch zu schaffen sein“. Und bereits hier zeigt sich das Problem des „modernen westlichen Yoga“ – es ist reduziert auf den körperlichen Aspekt. Dieser ist aber nur einer von acht Wegen im Yoga und sollte eigentlich nicht isoliert geübt werden. Denn sobald hinter der Asanapraxis, also den körperlichen Übungen, keine größere Intention steht, mutiert die Asanapraxis zu Akrobatik. Wohl auch aus diesem Grund erwachsen aus der Asanapraxis wahrlich bunte Ableger, die mit dem eigentlichen Anliegen von Yoga wenig gemeinsam haben.

Aus seiner Geschichte heraus ist Yoga eine spirituelle Praxis, um Erleuchtung zu erlangen. Der Begriff Yoga entstammt dem Sanskrit und bedeutet so viel wie „anjochen, anbinden, anschirren“. Gemeint ist dabei das miteinander verbinden von Körper, Geist und Atmung. Nur wenn diese drei Aspekte zueinander gebracht werden und gemeinsam am gleichen Ort und zur gleichen Zeit präsent sind, befinden wir uns im Hier und Jetzt.
Wie schwierig das ist wissen wir alle. Am Abend liegt unser Körper im Bett während unser Geist Resümee des vergangenen Tages zieht oder den nächsten Tag plant und unser Atem völlig willenlos irgendwo dahin dümpelt. Oder wir laufen nach der Arbeit von der Bahn/dem Bus nach Hause, unser Körper ist also in einem Bewegungsablauf, und unser Geist geht das Gespräch mit den Kollegen oder dem Chef nochmal durch, das wir heute geführt haben und unser Atem – nun ja er dümpelt oder galoppiert, weil wir zu schnell unterwegs sind.

Warum aber ist unsere Präsenz im Hier und Jetzt so wichtig? Neben dem spirituellen Ziel des Yoga birgt diese Präsenz im Hier und Jetzt das Potenzial der Entwicklung – unseres Selbst, unserer Gesundheit, Zufriedenheit, Stabilität und Flexibilität. Wohl deshalb lesen sich die Hauptwerke des Yoga – die Bhagavatgita  und die Yogasutren – z.T. wie die Anleitung zur Achtsamkeit aus der neueren Forschung. Achtsamkeitsforschung, Psychologie, Resilienzforschung und andere Wissenschaftszweige bestätigen, was das Yoga schon seit Jahrtausenden praktiziert.

Yoga bietet uns eine Art Handlungsanleitung auf dem Weg zu Präsenz im Hier und Jetzt. Und diese entsteht nicht nur aus der körperlichen Praxis der Yogahaltungen.
Yoga ist ein achtgliedriger Weg, der uns in verschiedenen Bereichen direkte Praxisanleitungen bietet. Die acht Wege des Yoga sind:

1.      Yamas – der Umgang mit der Umwelt
2.      Niyamas – der Umgang mit sich selbst
3.      Asanas – der Umgang mit dem Körper
4.      Pranayama – der Umgang mit dem Atem
5.      Pratyahara – der Umgang mit den Sinnen
6.      Dharana – Schulung der Konzentration/ Kontemplation
7.      Dhyana – Meditation
8.      Samadhi – Erreichung der inneren Freiheit.

Die Wege 1und 2 bieten Verhaltensregeln im sozialen Miteinander und im Umgang mit uns selbst. Die Wege 3-5 decken die körperlichen Bereiche ab und beinhalten das Potenzial für körperliche Gesundheit. Die Wege 6-8 dienen der geistigen Entwicklung und gewinnen immer mehr Bedeutung in der psychologischen Behandlung mentaler Probleme.

In diesem Licht betrachtet ist Yoga ein Weg zu Gesundheit, Zufriedenheit und einem sinnerfüllten Leben.

Ich als Yogalehrerin hoffe natürlich sehr, dass die Menschen, die den Weg ins Yoga finden, diesen Weg weiter gehen als nur bis zum Herabschauenden Hund oder den Kriegerhaltungen (jedoch nicht im Sinne des höher, schneller, weiter). Dabei ist es nicht notwendig mit einem spirituellen Ziel ins Yoga zu kommen. Das weiterführende Interesse am Yoga entsteht zumeist erst im Laufe der Zeit auf der Yogamatte und betrifft das Leben allgemein.
So wie das Yoga Körper, Geist und Atem bindet, so sollten die Menschen, die Yoga praktizieren, sich binden an diesen Weg. Erst wenn wir Yoga als Lebensphilosophie begreifen, kann es sein volles Potenzial entfalten. Und so fordert Yoga von uns Disziplin, Verbindlichkeit und den Willen, diesem Weg zu folgen – Schritt für Schritt. Nur dann kann Yoga sein volles Potenzial im Sinne einer Entwicklung für uns selbst entfalten – für unseren Körper und unseren Geist, ganz unabhängig eines spirituellen Zieles.