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Der Zauber des Schneefalls

Es ist ein seltenes Schauspiel in Berlin – Schneefall und eine wie mit Watte zugedeckte Umgebung. Mit dieser Pracht scheint sich die Welt zu verändern.
Ich stehe in solchen Momenten still, gehe extra ins Freie und bestaune wie ein Kind dieses Ereignis. So auch diesmal – Anfang Dezember beim Wintereinbruch in Berlin. Neben der kindlichen Freude gingen mir ganz verschiedene Gedanken durch den Kopf – Assoziationen, Vergleiche, Einsichten …

Staunen
Draußen ist es weiß – ein Wintereinbruch noch vor Weihnachten mit Schnee. Wie immer stehe ich fasziniert auf dem Balkon und lausche der Stille des Schneefalls. Es ist Wasser, was da vom Himmel fällt und normalerweise würde ein Regen mit der Dichte dieses Schneefalls eine ordentliche Geräuschkulisse erzeugen – platschen und plätschern, trommeln, tropfen, Stakkato …. Aber in dieser gefrorenen Variante schwebt das Wasser weiß und still vom Himmel und deckt alles zu. Schwebendes Wasser – eine skurrile Vorstellung und doch habe ich sie direkt vor meinen Augen.

Zartheit
Wirkten die kahlen Bäume vor dem Schneefall schwer, grob und dunkel, verzaubern sie die Welt jetzt mit filigranen Formen. Erst durch den Schnee sind wir in der Lage, die kleinen und zarten Teile der Bäume zu erkennen. Alle Pflanzen zeigen mit einem mal ihre Zerbrechlichkeit und Zartheit. Es ist wie ein Widerspruch zur Robustheit des Grüns im Frühjahr und Sommer. Die Schönheit der Pflanzen scheint sich uns zweimal im Jahr zu zeigen – mit dem Grün und den Blüten des Frühjahrs und Sommers und der Zartheit im Schnee des Winters.

Wahrnehmung
Der Schneefall verändert das Sehen. Die Konturen im Hintergrund verschwimmen und wirken wie hinter einem Schleier. Im Vordergrund betont der Schnee die Formen. Es ist, als würde das, was vor unseren Füßen liegt mehr in den Fokus geraten und die Weite und Ferne unscharf werden. Ähnlich dem Zustand von Gegenwart und Zukunft. Die Gegenwart liegt direkt vor uns und bedarf unserer Aufmerksamkeit. Die Zukunft können wir nicht klar vor uns sehen, denn bis zu ihrem Eintreten geschehen noch Dinge, die eine Auswirkung auf die Zukunft haben. Leider neigen wir Menschen dazu, die Zukunft in ein klareres Bild zu pressen, als uns um die vor unseren Füßen liegende Gegenwart zu kümmern.

Stille und Ruhe
Mit diesem Schneefall scheint sich die Welt ein bisschen zu verändern – sie wird stiller und langsamer. Die „Nebenwirkungen“ eines solchen Schneefalls mit weißer Pracht sind immens. Viele lassen das Auto oder Fahrrad stehen und sind mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß unterwegs. Ich laufe morgens und abends zur Arbeit. Ich brauche dafür mehr Zeit als sonst mit dem Fahrrad, aber wie automatisch stellt sich meine Zeitplanung um. Ich erledige alles zu Fuß, brauche dafür viel länger und bin trotzdem entspannter. Es ist, als würde meine Zeitplanung sich der Langsamkeit des Schneefalls anpassen und ich meine Tage nicht so voll packen. Ein Nebeneffekt ist, dass ich nicht das Gefühl habe, die Hälfte meiner geplanten Sachen nicht geschafft zu haben. Meine Zufriedenheit steigt.

Licht
Wir alle kennen den grauen und gefühlt ewig dunklen Winter in Berlin, der eine echte Qual werden kann. Der Schnee macht alles hell – er reflektiert das Sonnenlicht und das Licht aus den Fenstern und von den Laternen. Sogar deren Farbe nimmt er an und glitzert dann nicht mehr so strahlend weiß sondern in warmem Gelb. Selbst wenn es am späten Abend schon sehr dunkel ist, wirkt es draußen hell.

 

Wenn ich spät am Abend nach Hause laufe, sauge ich all diese Phänomene des Schneefalls im Winter in mich auf. Es ist wunderbar und ich wünsche mir mehr solcher Tage mit Schneefall – gern in großen dicken Flocken. Und wie wir wissen, würde jede dieser Flocken eine andere Form haben.
Was für eine faszinierende, bizarre und kreative Natur!